Flughäfen haben mich schon immer fasziniert. Neulich in Johannesburg zog es mich um Zeit zu vertrödeln in den Afrikashop, nein, nicht den mit den bunten Tüchern, in die Welt der Spezialitäten aus Südafrika. Dabei blieb mein Blick am schönen Logo des „Oryx Desert Salt“ hängen und eine kurze Recherche auf deren Webseite ließ mich wissen, dass die Anhängerschaft unter den Spitzenköchen der wein- und genussreichen Umgebung Kapstadts recht ausgeprägt ist. Und dann war da noch etwas aus der Klatsch- und Tratsch-Ecke Anfang des Jahres als die „Galas“ dieser Welt die Offenbarungen des Privatkochs von Gisele Bündchen und Tom Brady durch die Welt trugen. Aus mir nur unscharf nachvollziehbaren Gründen blieb mir Allen Campbells Satz „…statt Jodsalz verwende ich nur rosa Himalaya-Salz“ in Erinnerung. Seitdem fand ich mich schon das ein oder andere Mal fasziniert vor dem Salzregal wieder und wurde neugierig auf die angebotene Vielfalt.
Salz kann definitiv über Gelingen oder Misslingen eines fantastischen Essens entscheiden. Nur ist das nicht der einzige Grund es zu verwenden.
Warum salzen wir unser Essen, mal abgesehen vom Geschmack?
Salz liefert Mineralien, die in der richtigen Menge für viele Körperfunktionen entscheidend sind. Nur fängt es da schon wieder an. Wie viel Salz entspricht denn der richtigen Menge? Liest man Studien zum Salzkonsum wird klar, dass man es ebenso wie beim Geschmack, bei der Menge mit einer Gratwanderung zu tun hat. Dabei steht eine Frage im Vordergrund: Wann wird es zu viel? Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) schlägt 6 Gramm Natriumchlorid als ausreichend vor (das ist das übliche Kochsalz). Entscheidend für unseren Körper ist dabei die Menge an Natrium. Das wären ca. 2,4 Gramm Natrium. Die WHO liegt mit ihren Empfehlungen bei 5 Gramm Kochsalz und andere Verbände schlagen nur 3,8 Gramm vor, das entspricht 1,5-2 Gramm Natrium. Für alle, die nicht ständig an der Feinwaage stehen, das sind etwa 1-2 Teelöffel Kochsalz pro Tag. Der durchschnittliche Konsum liegt bei 8-10 Gramm und die Hauptursache dafür sind verarbeitete Lebensmittel und Brot mit hohem Salzgehalt. Um die Salzzufuhr kontrollieren zu können, müsste man also seine Nahrung selbst zubereiten oder dem guten Geschmack eines Kochs vertrauen. Mit Fertiggerichten aus dem Supermarkt geben wir diese Kontrolle leider ab und es findet sich auch höchst selten ein Hinweis auf Verpackungen, wie viel Salz verwendet wurde.
Warum beschäftigen sich medizinische Studien mit Natrium?
Hoher Salzkonsum gilt als Risikofaktor. Zu viel Salz ist die Ursache für Bluthochdruck und kardiovaskuläre Folgeereignisse, sprich Herzerkrankungen. Weltweit sterben geschätzt 1,65 Millionen Menschen an den Folgen des zu hohen Salzkonsums, man möchte behaupten unnötig. Ein besonderes Risiko besteht für salzsensitive Menschen, bei denen der Blutdruck nach Salzkonsum noch stärker steigt als beim Durchschnitt. Betroffen davon sind bis zu 40% der Bevölkerung, vor allem Diabetiker, Menschen mit ohnehin schon hohem Blutdruck und Ältere. Um das wirklich exakt herauszufinden, sind komplizierte Tests nötig, nichts für den Hausgebrauch. Wer unter hohem Blutdruck leidet, sollte also generell vorsichtiger mit Salz umgehen, also weniger verwenden, im Idealfall vor allem frisch zubereitete Nahrung konsumieren. Forscher beschäftigen sich schon länger mit dem Salzhaushalt des Körpers und wie er reguliert wird. Seit Kurzem weiß man, dass Salz auch in der Haut und in Muskeln gespeichert wird, ohne dass der Körper gleichzeitig Flüssigkeit einlagert. Was gerade nicht gebraucht wird, kann gespeichert werden, leider nicht bei allen. Bei salzsensitiven Personen steigt der Blutdruck vermutlich dadurch an, dass eine zusätzliche Flüssigkeitseinlagerung stattfindet. Physiologisch notwendig um unsere Körperfunktionen zu steuern, sind nur 500 Milligramm Natrium, also deutlich weniger als empfohlen. Welche Funktion aber erfüllt es eigentlich?
Natrium ist für die meisten Körperzellen überlebenswichtig, weil es für die Aufrechterhaltung des Membranpotentials gebraucht wird, einfacher gesagt, für den Stoffaustausch und die Funktionalität einer Zelle. Außerdem spielt es eine große Rolle für Nervenzellen bei der Erregungsweiterleitung. Um ein Signal weiterzuleiten schütten unsere Zellen u.a. Natriumionen aus und transportieren sie wieder zurück. Das passiert ständig und deshalb werden auch immer Natriumionen gebraucht. Eng geknüpft ist die ganze Sache an den Wasserhaushalt und wird streng reguliert von den Nieren. Ohne Salz geht es also auch nicht, nur ist das sehr viel seltener das Problem.
Bei der Frage nach zu viel oder zu wenig Salzaufnahme, kommt einem zweiten Mineralstoff, dem Kalium eine Schlüsselrolle zu. Eine erhöhte Kaliumzufuhr kann eine hohe Natriumzufuhr ein Stück weit kompensieren und damit der Gefahr des Bluthochdrucks entgegenwirken. Kalium ist wichtig für die elektrische Stabilisierung der Herzzellen und die Bildung von elektrischen Impulsen, es schützt uns vor Herzrhythmusstörungen. Tendenziell nimmt die Bevölkerung nur leider zu wenig Kalium zu sich. Mehr als 1,5 Gramm Kalium senken das Risiko, die WHO empfiehlt sogar 3,5 Gramm. Kaliumreich sind Gemüse und Obst wie Bananen, Aprikosen, Datteln, Fenchel, Kohlsorten, Süßkartoffeln, Spinat und Kakao, dazu lohnt es sich Hülsenfrüchte zu verzehren, die enthalten besonders viel Kalium. Wie sieht das auf dem Teller aus? Etwa 100 Gramm Hülsenfrüchte kombiniert mit 200 Gramm Gemüse pro Tag und dazu eine Handvoll Nüsse und schon ist man gut im Rennen. Hohen Salzkonsum (Natriumchlorid) zu reduzieren und mit reichlich Kalium zu kombinieren führt zu niedrigem Blutdruck und das bedeutet erfreulicherweise auch ein niedriges Herzinfarktrisiko.
Damit das Ganze auch schmeckt, schauen wir jetzt noch mal auf das Salz. Rein physiologisch unterscheidet sich die Vielzahl der angebotenen Salze nur unwesentlich in ihrer Wirkung, was bei uns ankommt sind immer Natrium- und Chlorid-Ionen, egal ob aus Wüsten-, See- oder Steinsalz. Beim Geschmack allerdings ist unbedingt der feine Gaumen gefragt und deshalb habe ich drei Berliner Spitzengastronomen gebeten ihre Finessen mit uns zu teilen. Wir können davon ausgehen, dass in den Küchen des „Reinstoff“ (Daniel Achilles, DA), im Restaurant Tim Raue (TR) und bei Vegan Queen Sophia Hoffmann (SH) nichts versalzen wird, alle bringen Geschmack auf den Punkt:
(1) Welches Salz oder Salze verwendet ihr? Normales Kochsalz für alles oder nur ein Spezielles?
DA: Sowohl als auch. Standard-Salz ist wohl das handelsübliche Bad Reichenhaller, Meersalz aus Portugal und dann Maldon Sea Salt.
TR: Wir benutzen ausschliesslich Cornish Sea Salt, das wir fein mörsern, um Kochwasser zu salzen, zum Marinieren und zum Würzen.
SH: Halleluja, ich sammle Salze. Als „normales Salz“ verwende ich hochwertiges Meersalz und dann stehen in meiner Küche noch mindestens 20 andere Salzsorten.
(2) Bevorzugt ihr für spezielle Gerichte besondere Salze? Die Auswahl an Salzen ist ja riesig und reicht von Fleur de Sel über Steinsalze wie Himalaya-Salz, Lavendelsalz, Kalahari-Salz usw. Unterscheiden sich die Salze für Euch durch einen besonderen Geschmack?
DA: Ich würze Fisch, Schalen- und Krustentiere mit einem eigens aromatisierten Gewürzsalz (mit Koriandersamen, japanischem Bergpfeffer und etwas Chillipulver und Kardamon). Alle Fisch-, Fleisch- und Gemüsegerichte werden am Pass bevor sie dann endgültig angerichtet werden mit Maldon Salt Flakes punktuell nachgewürzt!
Der Unterschied zwischen den Salzen kann enorm sein. Einige sind stark salzig, andere feiner, mineralischer und und und. Mit dem Maldon Salt haben wir in den letzten Jahren viel herum probiert. Zum Beispiel mit einem Mix aus Gemüsesäften und dazu das Salz. Heraus kamen Kreationen wie Rotkrautsalz oder gelbes Rapsblütensalz mit Blüten oder ein Douglasien-Salz mit Trieben, um den Rehrücken darin zu beizen.
TR: Es gibt aromatisierte Salze.
A. Sichuanpfeffer-Salz, Cornish Sea Salt & Sichuanpfeffer & Muscovadozucker & Sternanis
B. Zitronensalz mit Zitronenschale, Zitronenblatt & Zitronengras
SH: Wie schon erwähnt. Ich bin salzsüchtig, andere Menschen sammeln Schuhe oder Nippes – ich sammle Salze.Von allen Reisen bringe ich Salze mit und bekomme auch oft welche mitgebracht. Einerseits spezielle Salzsorten die sich durch ihren spezifischen Geschmack unterscheiden wie Vulkansalz, Kala Nanak Salz , blaues persisches Salz, Meer- und Bergsalze – aber auch viele besonders aromatisierte Salze, allein viererlei Räuchersalz, Kräutersalze und Salze mit getrockneter Chili, Hibiskus, Oliven, Pilzen, Knoblauch, Rosenblüten, Aktivkohle usw.
Ich setze die verschiedenen Salze ganz bewusst ein und überlege mir konkret was da jetzt passen würde. Gerade in der pflanzlichen Küche sind hochwertige Salze, Gewürze, Pfeffersorten und Öle fantastische Werkzeuge zur Vollendung auch einfacher Gerichte. Sie sind das Tüpfelchen auf dem I der Gemüseküche. Mir ist Salz unheimlich wichtig, ich liebe es.
(3) Ist es für den perfekten Geschmack wichtig, wann das Salz zugegeben wird? Je nach Gericht schon beim Kochen oder Braten, beim Marinieren oder lieber erst danach, kurz vor dem Verzehr oder ist das relativ egal?
DA: Wird in jeder Küche anders gehandhabt. Sachen, die in Wasser gegart werden müssen sowie feine, kurz gebratene, elegante Gerichtete sollten immer erst kurz vor Ende final gesalzen werden.
Schmorgerichte oder alles mit Zeit sollte immer schon richtig abgeschmeckt werden, da es am Ende meist kein Salz oder Geschmack mehr annimmt.
TR: Fisch, Fleisch, Geflügel & Krustentiere und Gemüse werden nach dem Garen gewürzt um den Eigengeschmack zu intensivieren. Marinaden, Fonds & Sud und Kochwasser werden gesalzen.
SH: Ich salze ein gekochtes Gericht fast immer erst am Ende und benutze nur so viel wie notwendig ist. Das lässt sich meiner Meinung nach oft erst am Schluss abschätzen, da ja auch Kräuter und andere Gewürze geschmacksgebend wirken. Aber auch wenn ich etwas fermentiere oder einen Grünkohlsalat weich massiere, da kommt das Salz ja ganz am Anfang ins Spiel – überlege ich welches Salz am Besten passt.
(4) Stehen bei Euch Salz und Pfeffer auf dem Tisch oder ist das ein No-Go?
DA: Auf dem Tisch nicht, auf Nachfrage kann immer etwas gereicht werden.
TR: Natürlich steht weder Salz noch Pfeffer auf den Tischen, das wird bei uns auch nur sehr, sehr selten nachgefragt.
SH: Bei meinen Dinnern stelle ich es nur zu Verkostungszwecken auf den Tisch, wenn ich etwa möchte, dass die Gäste zusammen mit einem leckeren Brot besondere Salz- und Ölsorten probieren. Bei fertigen Gerichten kommt mir das nicht in die Tüte und wenn ein Gast – am Besten noch ohne probiert zu haben – gleich nach Salz fragt – werde ich sauer;).
Und wer wissen möchte, welche Rezepte hinter Sophias besonderen Kreationen stecken, ist hier richtig!
Referenzen
Elijovich F, et al: Hypertension (online) 21. Juli 2016
Mills KT, et al: JAMA 2016;315:2200-2210
Powe NR, et al: JAMA 2016;315: 2173-2174
Farquhar W, et al: J Am Coll Cardiol. 2015 Mar 17;65(10):1042-1050