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Von Nachweis und Zweifel

Antikörper sind aus naturwissenschaftlicher Sicht spannende kleine Dinger. Wenn man sie nachweist oder wenn man mit ihnen etwas nachweist, schägt so manches Forscherherz regelmäßig höher. Hin und wieder ist das auch der Fall, weil Mediziner und Forscher miteinander streiten, was deren Nachweis denn überhaupt zu bedeuten hat. Alles oder nichts oder liegt die Wahrheit wieder mal dazwischen?

In meinem letzten Beitrag könnt ihr lesen, warum ich Geld investiere um dann dafür auf Parmesan zu verzichten oder kurz ich teste drei Antikörpertests. Der Nachweis von Antikörpern im Zusammenhang mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten wird von Fachleuten recht unterschiedlich bewertet. Der Nachweis von IgE-Antikörpern (Sofortreaktionen, Nahrungsmittelallergie Typ I) wird weniger diskutiert, um die Deutungshoheit beim Nachweis chronisch erhöhter IgG-Spiegel durch Nahrungsmittel aber umso mehr. Während offizielle Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Allergologen und klinische Immunologie (DGAKI) den IgG-Test generell als nicht geeignet zum Nachweis von Nahrungsmittelunverträglichkeiten bewerten, geht es bei den Anbietern der IgG-Tests eher darum, welche Nachweismethode das genauere Ergebnis liefert. Auf der offiziellen Seite der Allergologenverbände fragt man also: Hat es denn überhaupt eine Bedeutung und kann man irgendeine qualifizierte Aussage daraus ableiten, wenn ein IgG-Test positiv ausfällt? Taucht man in die Feinheiten der Diskussion ein, wird bei den Anbietern darum gerungen, ob nun der Nachweis von IgG gesamt (der Nachweis aller IgG Subklassen, also IgG1,2,3,4) oder der Nachweis von singulären IgG4-Antikörpern die genaueren Aussagen liefert.

Fakt ist, wer sich möglichst optimal ernähren möchte, für den sind Vielfalt der Nahrungsmittel und ausreichende Versorgung mit Nährstoffen essentiell. Aus dem Anspruch dieser optimalen Versorgung oder schlicht dem Bedürfnis möglichst wenige Beschwerden durch den Genuss von Lebensmitteln zu verspüren, entsteht ein gewisser Drang mehr wissen zu wollen. Was ist denn für mich optimal? Wenn dann ein Testsystem behauptet, ich kann Dir darauf Hinweise liefern, dann sage ich: her damit! Das kann aus Sicht eines Allergologen grundfalsch sein, dem Thema widme ich mich an anderer Stelle. Den Anbietern von Testsystemen obliegt dennoch die Verantwortung, ein System so zu entwickeln, dass es aus deren immunologischer Sicht die besten Ergebnisse liefert. Um mir selbst eines schönen Tages eine Meinung darüber zu bilden, habe ich bei den Anbietern der Tests, die ich durchführen ließ nachgefragt. Momentan liegen die Antworten der Testanbieter Kiweno und ImuPro vor, sollten weitere dazu kommen, werde ich sie an dieser Stelle ergänzen und auch bei den Allergologen noch mal nachhaken. Hier die Antworten von Dr. Roland Fuschelberger für den Anbieter Kiweno und Dr. Camille Lieners für ImuPro:

Warum testet Kiweno Antikörper der Klasse IgG4 und nicht auch IgG1-3 bzw. IgG-gesamt wie beispielsweise ImuPro? Welche Vorteile sehen Sie in Ihrem Test und haben sich für das Testen von entweder IgG4 bzw. IgG1-3 entschieden?

Kiweno: Aus meiner klinischen Erfahrung zeigen sich in den hohen wichtigen und vermutlich klinisch relevanten Klassen gute Übereinstimmungen. Bei IgG werden häufig viele Nahrungsmittel mit niedrigen Unverträglichkeitsklassen getestet, was durchaus zu Verunsicherungen bei Patienten führen kann. Ich habe mich deshalb nach einer Testphase vor mehr als 10 Jahren dazu entschieden IgG4 zu testen, was aber nicht heißen soll IgG-gesamt ist wertlos. Es gibt auch hier eine Diskussion pro und contra.

ImuPro: Wichtig ist es in diesem Zusammenhang, bei IgG‐Antikörpern zwischen vier Subklassen zu unterscheiden (IgG1‐4), wobei ein wesentlicher Unterschied zwischen IgG4 und den anderen drei IgG‐Subklassen besteht. In der Kritik stehen vor allem das IgG4, der einzige IgG‐Antikörper, der keine Entzündungsreaktion hervorruft. IgG4 kann weder die Granulozyten (weiße Blutkörperchen) noch das Komplementsystem aktivieren, zwei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um eine entzündliche Reaktion zu induzieren. In der klassischen Allergie wird indes mit IgG4 gearbeitet, denn IgG4 wird gebildet, wenn eine IgE vermittelte Allergie „abheilt“ bzw. bei der Desensibilisierung einer Sofortallergie (bspw. Pollen). In diesem Fall konkurriert das IgG4 mit dem IgE um das Allergen und schützt so vor der übermäßigen Histaminfreisetzung. Da IgG4 also irrelevant für die Fragestellung Nahrungsunverträglichkeit im Zusammenhang mit chronisch entzündlichen Erkrankungen ist, konzentrieren wir uns auf die Bestimmung der Klassen IgG1-3. IgG4 kommt im Serum im Vergleich zu den anderen potenziell entzündungsfördernden IgGs (IgG1‐3), die für uns von Bedeutung sind, nur in einer geringen Menge vor. ImuPro ist deswegen so kalibriert, dass es IgG4 praktisch nicht mit erfasst. Im Vergleich mit IgG4-spezifischen Tests ist die Überschneidung der Resultate sehr gering, sofern die IgG4 Tests auch tatsächlich IgG4 spezifisch sind und nicht zu stark mit den anderen Klassen kreuzreagieren.

Denken Sie, dass jeder Mensch Unverträglichkeiten hat bzw. für wie verbreitet halten Sie Unverträglichkeiten? Sie sprechen auch Ernährungsempfehlungen aus, wie hoch schätzen Sie den Nutzen für die persönliche Gesundheit ein? Schadet man eventuell auch der Gesundheit wenn man die Ergebnisse ignoriert?

Kiweno: Nein nicht jeder hat Unverträglichkeiten. Je nach Literatur leiden aber bis zu 40% oder mehr an der einen oder anderen Form. Ursachen sind vielfältig und würden den Rahmen hier sprengen. Unsere Ernährungsempfehlungen zielen auf eine abwechslungsreiche, gesunde Alternative ab, sollten NMU vorliegen. Sich mit gesunder Ernährung zu beschäftigen, ist immer sinnvoll und bringt einen hohen Nutzen für die persönliche Gesundheit.

ImuPro: Nicht jeder Mensch hat eine Nahrungsmittelunverträglichkeit – aktuell ist man sich in der
Literatur nicht darüber einig, wie hoch der Prozentsatz der Betroffenen ist. Bei Patienten mit
entzündungsbedingten chronischen Erkrankungen liegt der Prozentsatz aber bei etwa 50% oder höher. Setzen Sie das Testergebnis mit anschließender Ernährungsumstellung nicht um, so wird sich an Ihrem Gesundheitszustand nichts ändern bzw. die durch Nahrungsmittel verursachten Beschwerden werden sich verstärken.

Verschwinden die Unverträglichkeiten wenn man eine Zeitlang auf bestimmte Nahrungsmittel komplett verzichtet oder sollte man besser über Jahre konsequent sein?

Kiweno: Je nach Ursache bessern sich die NMU unter einer zeitlich begrenzten Eliminationsdiät. Hier gibt es aber durchaus eine nicht unbedeutende Variabilität, wie auch in anderen Bereichen in Bezug auf Gesundheit.

ImuPro: Die meisten Unverträglichkeiten können sich zurückbilden, wenn die Nahrungsmittel langfristig gemieden werden. Allerdings kann es auch vorkommen, dass einige Unverträglichkeiten nicht verschwinden. Grund hierfür kann sein, dass ein gewisses Nahrungsmittel nicht vollständig gemieden werden kann, weil es sehr vielen verarbeiteten Nahrungsmitteln zugesetzt wird oder Kreuzreaktionen zu anderen Antigenen hat, wie z.B. Hefe. Ob eine Unverträglichkeit verschwindet hängt auch von der Persistenz von sogenannten Memoryzellen ab. Das sind spezialisierte Lymphozyten, die lange überleben können und die Information in sich tragen, gegen bestimmte Antigene Antikörper zu bilden. In der Regel
verschwinden sie nach 1‐2 Jahren, wenn das betreffende Nahrungsmittel nicht mehr verzehrt wird, wobei die Antikörper selbst viel früher abgebaut werden. Daher ist es nach der einjährigen Meidungsphase wichtig, die Nahrungsmittel zu rotieren um eine neuerliche Stimulation der Memoryzellen zu vermeiden. Ideal wäre es, die symptomauslösenden Nahrungsmittel über mehrere Jahre zu meiden.

Worauf basiert Ihr Test bezüglich der Grenzwerte? Wie wurde bestimmt ab wann eine leichte bzw. schwere Unverträglichkeit vorliegt?

Kiweno: Die Grenzwerte werden so vom ausführenden Labor seit Jahren verwendet und basieren auf klinischer Erfahrung und Daten aus Studien. Je höher die Antikörper-Reaktion desto stärker die NM- Unverträglichkeit. Grenzwerte/Stufen wurden so eingeführt und je nach Notwendigkeit adaptiert. Laborwerte alleine sagen aber nichts aus. Es gilt auch etwaige Beschwerden/Symptome zu beachten bzw. bemerkbare Veränderungen während der Eliminationsdiät.

ImuPro: Cut‐Off Werte werden klassischer Weise wie folgt bestimmt:
Grundlage für eine solche Bestimmung ist die Betrachtung eines großen Patientenkollektivs, hier werden die nicht reaktiven Werte zur statistischen Auswertung herangezogen. Diese zeigen in der Regel ein spezielles Verteilungsmuster, sie folgen einer Gaußverteilung. Anhand dieser statistischen Informationen kann, unter Zuhilfenahme mathematischer Algorithmen und der Berücksichtigung eines Sicherheitsfaktors, der Cut‐Off Wert festgelegt werden.

Wie lange kann man die Antikörper nachweisen? Angenommen ich verzichte seit einem Jahr auf Gluten, esse einige Wochen glutenhaltige Nahrungsmittel und lasse dann den Test machen, wäre dann eine Unverträglichkeit nachweisbar? Ändern sich Testergebnisse mit meinen Nahrungsgewohnheiten?

Kiweno: Antikörper haben eine Halbwertszeit von 2-3 Monaten. Die Testergebnisse ändern sich natürlich mit den Essgewohnheiten, zum Beispiel in Abhängigkeit vom Zustand der Darmschleimhaut. Es gibt Menschen ohne Antikörper-Reaktion. Wenn ich über längeren Zeitraum keinen Antigen Kontakt habe, gibt es keine Antikörper, ein Beispiel wären Transglutaminase-Antikörper bei Zöliakie.

ImuPro: Wie lange man die AK nachweisen kann, hängt davon ab wie viele initial vorhanden waren. Je höher der Wert je länger braucht es bis sie ausgeschieden sind. In der Regel dauert das zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Natürlich ändern sich die Testergebnisse mit dem Ernährungsverhalten. Voraussetzung ist natürlich, dass die entsprechenden Nahrungsmittel strikt gemieden werden. Eine Rotationsdiät und ein gesunder Darm verhindern die Bildung neuer Unverträglichkeiten.
Speziell zu Gluten:
NCGS (Non‐Celiac Gluten Sensitivity) ist derzeit in aller Munde und wird sehr kontrovers diskutiert. Einer der Gründe liegt darin, dass es keine verlässliche Methode zu geben scheint, selbige mit einem Test zu diagnostizieren. Die angebotenen IgG oder IgA anti‐Gliadin Tests sind nicht sensitiv genug, da sie auf die Diagnose Zöliakie hin entwickelt wurden und ihre Grenzwerte daraufhin optimiert wurden, dass sie mit der Biopsie korrelieren, um falsch positive Ergebnisse zu minimieren. Der Glutentest im ImuPro dagegen ist nicht auf die Zöliakie hin optimiert, sondern nach gängigen in der Serologie üblichen Methoden validiert. Dadurch ist der Test sensitiver und kann eine immunologische Reaktion gegen Gluten nachweisen, schon bevor sich eine manifeste Zöliakie entwickelt hat. Dies konnte in mehreren internen Vergleich Studien überprüft werden.

Herzlichen Dank für die Antworten! Hier der Link zu einer Stellungnahme von ImuPro zur Kritik der Allergologenverbände.

Im Vergleich der Antworten lässt sich gut erkennen, dass sich auch Testanbieter uneinig darüber sind, welcher Antikörpernachweis das sicherste oder beste Ergebnis liefert, um eine Unverträglichkeit nachzuweisen. Aufgrund der Antworten von ImuPro bin ich nun umso erstaunter, dass die Testergebnisse in meinem Fall so konstant waren, zumindest bei den starken Reaktionen.

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