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Nahrungsmittelunverträglichkeitstests testen – ein Erfahrungsbericht

In diesem Jahr sind mir schon mehrere Berichte begegnet, in denen sich Menschen mit Tests beschäftigten, die Nahrungsmittelunverträglichkeiten nachweisen können. Angeblich können diese Tests Hinweise darauf liefern, welche Nahrungsmittel vom Körper gut vertragen werden und welche wiederum nicht. Was dabei ganz schnell auffällt ist: umstritten sind diese Tests in jedem Fall nicht. Mir sind zwei ARD-Berichte „Plusminus“ & „Die Story“ in Erinnerung geblieben, die das Thema Nahrungsmittelunverträglichkeitstests aufgreifen.

Die Beiträge lassen sich auf zwei Aussagen verkürzen: Hersteller von Testgeräten bieten Tests an, kann nur in deren eigenem Interesse liegen und ist nichts als Geldschneiderei und je nach Hersteller variieren die Testergebnisse und man hat demnach je nach Test und Hersteller auch andere Unverträglichkeiten. Die erste Aussage lasse ich mal dahingestellt, dass kann jeder von „cleveres Geschäftsmodell“ bis „Adipositaschirurgie im 96well-Format“ selbst bewerten. Die zweite Aussage machte mich extrem neugierig. Hier mein Erfahrungsbericht, in dem ich Nahrungsmittelunverträglichkeits-Tests vergleiche.

Aufgrund vor langer Zeit besuchter Immunologievorlesungen und einiger Laborerfahrung weiß ich ganz gut wie diese Tests funktionieren und auch wie empfindlich das dazu eingesetzte Verfahren, der ELISA-Test, ist. Um Eins klarzustellen, das Testverfahren an sich ist ein sicheres, zuverlässiges und anerkanntes Standardverfahren im Labor und keineswegs umstritten. Dabei werden mit Hilfe von speziellen Proteinen, den Antikörpern, Stoffe nachgewiesen, indem sie von diesen Antikörpern erkannt und gebunden werden. Der Reaktionsnachweis erfolgt dann über einen zweiten Antikörper und eine enzymatische Reaktion. Diese Stoffe nennt man Antigene, das sind zum Beispiel Viren, Bakterien, Parasiten, Hormone, Blütenpollen, Allergene oder eben Nahrungsmittelbestandteile. So weit so gut, nur an der Bedeutung mit bestimmten Antikörpern, den IgGs, Unverträglichkeiten nachzuweisen, daran scheiden sich die Geister.
Aber der Reihe nach, mein Vorhaben war, selbst drei dieser Unverträglichkeitstests an mir durchführen zu lassen. Ich hätte auch eine andere Person fragen können, aber dafür war ich einfach selbst zu neugierig was dabei herauskommen würde und ob ich bereit wäre, mich dem Ergebnis zu stellen. Was mir vor diesen Tests in Bezug auf die Berichte seltsam erschien war, dass ein grundsätzlich zuverlässiges Testverfahren so unterschiedliche Ergebnisse liefern sollte, meine Vermutung ging daher in Richtung Interpretationsunterschiede, entweder der Anbieter oder der Getesteten.
Meine Wahl fiel nach kurzer Internetrecherche auf drei meiner Einschätzung nach recht bekannte Anbieter:
(1) Kiweno, ein 2015 gestartetes österreichisches Start-up, das laut Presse „ein innovatives medizinisches Produkt als Kombination aus Online-Plattform und Selbsttest zu möglichen Nahrungsmittelunverträglichkeiten“ anbietet. Ok, her damit, testen 70 Nahrungsmittel, in Kombination mit einem Histamintest 138 Euro gezahlt, ohne wären es 99.
(2) Cerascreen, ein meiner Meinung nach deutsches Pendant dazu, Sitz in Schwerin, ähnlich guter Online-Auftritt, testet zusätzlich zu IgGs auch die Bindung von IgE-Antikörpern an 20 Nahrungsmittel, daher für mich interessant, 62 Nahrungsmittel werden getestet, Basicversion, 99 Euro.
(3) ImuPro, auf Empfehlung meiner Schwägerin. Bietet verschiedene Varianten an wieviele Nahrungsmittel man testen möchte, habe mich aus Kostengründen für die Basicvariante entschieden, testet 90 Allergene für 147 Euro, nicht gerade ein Schnäppchen, einige private Kassen übernehmen aber die Kosten, bei den anderen Tests weiß ich das nicht. Spätestens jetzt sollte klar sein, das hier ist der teuerste Artikel im Portfolio und nein, es wurde nichts gesponsert sondern zwei Reisekostenabrechnungen wohlwollend in die Gesundheit der nächsten Jahre investiert, so! Der Unterschied zu Kiweno und Cerascreen besteht darin, dass man sich Blut beim Arzt abnehmen lässt, den anderen Anbietern genügt Blut aus der Fingerkuppe.

Durchgeführt wurden die Tests innerhalb weniger Wochen in ebendieser Reihenfolge, dadurch sollte die Vergleichbarkeit gegeben sein und damit ich in Bezug auf Getreide und Gluten ein möglichst unverfälschtes Ergebnis bekomme, habe ich ca. vier Wochen lang vorher wieder angefangen Brot und Brötchen mindestens einmal täglich zu konsumieren, aller Beschwerden und tiefer Augenringe zum Trotz. Die Durchführung der Tests bei Kiweno und Cerascreen ist extrem anwendungsfreundlich. Man bekommt eine wirklich idiotensichere Anleitung, schickt die Blutprobe weg, registriert sich online und wartet ein bis zwei Wochen.

Neugierig auf die Ergebnisse?
Kiweno: erster Test und ich war immens gespannt was da jetzt wohl drinstehen würde. Als kleine Vorbemerkung möchte sei angemerkt, ich bin eher so deren Optimierungskundschaft. Kleine Beschwerden, hier und da und man erkennt bei genauer Beobachtung, dass man manche Nahrungsmittel super verträgt, andere vielleicht nicht so, aber man nimmt es ohne dramatische Beschwerden alles so hin, schließlich kennt man es nicht anders.
Histaminintoleranz ist negativ. Meine Darmpermeabilität grad noch im Bereich ok, mich trennt nur ein Punkt vom „Leaky gut-Syndrom“, darüber mache ich mir später Gedanken, grüner Bereich ist grüner Bereich.
Kiweno testet nur IgG4-Antikörper und teilt die Ergebniss in gut verträglich, nur leicht unverträglich und mittlere bis schwere Unverträglichkeit. Das Ergebnis zeigt mir 28 Nahrungsmittel sind gut verträglich, heißt keine Reaktion bzw. unter deren Grenzwert. Das sind bei mir viele Obst- und Gemüsesorten, Nüsse, Kräuter, Meeresfrüchte. Damit ist der Tag erstmal gerettet, Auberginen, Kichererbsen (Hummus!), Austern und sogar Alkohol sind mit einem grünen Smiley versehen, yay! Als nächstes zeigt mir mein Testergebnis 60 Nahrungsmittel, auf die es eine leichte oder mittlere Reaktion gab. Das sind recht Viele, was mich im ersten Moment irritiert. Bei genauerer Betrachtung der mitgelieferten ausführlichen Auswertungshinweise empfiehlt mir Kiweno jedoch nicht, diese Nahrungsmittel aus meinem Speiseplan zu streichen, sondern sie nur aller drei bis vier Tage in geringen Mengen zu essen, heißt nicht täglich zu vertilgen. Darunter sind auch Hühnerei (damit habe ich gerechnet, Hautreaktion) und glutenhaltige Getreide. Es gibt einen eindeutigen Hinweis und Erläuterungen im Auswertungsbogen Glutensensitivität oder Unverträglichkeit nicht mit Zöliakie zu verwechseln. Die Gruppe der Nahrungsmittel, die ich laut Empfehlung für drei bis vier Monate meiden sollte, fällt recht eindeutig zusammen auf Milchprodukte, und zwar das darin enthaltene Kasein, unter den Milchproteinen das mit dem höchsten Anteil in der Milch. Da es zwar laktosefreie Milch gibt, aber keine kaseinfreie, also alle Milchprodukte (Kuh, Ziege, Schaf) meiden. Das war eine Überraschung, darauf wäre ich allein nicht ohne Weiteres gekommen und schon dafür hat sich der Test aus meiner Sicht gelohnt. Bleibt ein Problem, ich stand noch nie auf Milch, finde milchfreie Joghurtalternativen aus Soja, Kokos und Mandel völlig ok, brauche ich nicht wirklich, aber PARMESAN, das wird hart! Parmesan ist einer der wenigen Gründe aus denen ich nie vegan gegessen habe. Es gab früher auch Zeiten in denen ich irgendwas gekocht habe und dann kam Parmesan drauf. Also Parmesan mit… Das hat sich zum Glück auch geändert, aber der Gedanke ganz und gar zu verzichten klang nach Herausforderung.

Nächstes Ergebnis kam von Cerascreen. Erster Blick geht auf den Nahrungsmittel-Ergebnisbogen mit IgE. Hierzu Folgendes: IgE-Reaktionen gehören zur Nahrungsmittelallergie vom TypI, also den Sofortreaktionen und allergischen Reaktionen. Die Auswertung zeigt mir, ich reagiere auf 18 der 20 getesteten Nahrungsmittel. Bei der Auswertung steht ein Punkt für schwache Reaktion bis vier Punkte für starke Reaktion. Sieben der Nahrungsmittel werden mit einem Punkt angezeigt, darunter sind Hühnereiweiß, Milchprodukte und Weizen, neun mit zwei Punkten, darunter Karotte und nur zwei mit drei Punkten. Das sind in meinem Fall Birkenpollen und Sellerie. Das mit den Birkenpollen kann sein, Sellerie kann ich schlecht einschätzen, weil ich es meide. Mir ist aber bekannt, das Birkenpollen, Sellerie, Karotte und Kartoffel ein sehr ähnliches Antigen besitzen und immunologisch nur schwer zu unterscheiden sind. Es kann sich dabei also um Kreuzreaktionen handeln, worauf man mich auch im Auswertungsbogen und in einem Newsletter von Cerascreen einige Tage später hinweist.
Der Ergebnisbogen für IgG4, laut Hersteller werden damit verzögerte Nahrungsmittelreaktionen ermittelt, zeigt eine Punkteskala von eins (minimal) bis sechs (starke Reaktion). Laut diesem Bogen reagieren ich mit zwei bis drei Punkten auf Dinkel und glutenhaltiges Getreide und einen Milchmix. Die Auswertung zeigt mir die stärkste Reaktion eindeutig mit fünf Punkten in der Auswertung auf Kasein, also wieder das Milchprotein.
Im Vergleich beider Tests gibt es 100%-ige Übereinstimmung was die stärksten Reaktionen angeht. Bei allen anderen habe ich mir die Mühe gemacht für jedes Lebensmittel die extra aufgeführten Werte zu vergleichen. Cerascreen weist darauf hin, dass der Fokus der Unverträglichkeiten auf dem IgE-Test liegen sollte. Bei einer Unverträglichkeitsreaktion mit IgG4 sollte man dieses Nahrungsmittel nicht durch ein Nahrungsmittel ersetzen, das einen IgE-Nachweis zeigt. Macht absolut Sinn. Meine akribische Auswertung zeigte, dass leichte Reaktionen per IgG4-Nachweis im Kiweno-Test auch nahezu immer bei Cerascreen zu sehen waren, dort entweder durch IgE- oder IgG4-Nachweis. Wenige Unterschiede waren für Kiwi, Quinoa und Ananas zu finden, wobei alle Nahrungsmittel mit extrem niedrigen Werten angezeigt wurden. Mein persönliches Fazit nach der Auswertung beider Tests war: glutenhaltiges Getreide wieder meiden oder nur selten verzehren (weil es für mich noch andere Nachteile hat, vor allem Müdigkeit, dazu mehr an anderer Stelle) und einige Monate auf Milchprodukte verzichten. Auch das fällt nach einiger Gewöhnung leichter als gedacht.

Drittes Ergebnis von ImuPro: hier reichte mir ein kurzer Blick auf die gedruckte Auswertung. Nicht erhöht war die Reaktion auf 76 Nahrungsmittel, erhöht bei 11 Nahrungsmitteln (glutenhaltige Getreide, Hühnerei, zwei Gemüsesorten) und stark erhöht auf Käse-, Milch- und Sauermilchprodukte. Gleiches Fazit also. Da laut meiner Recherche ImuPro jedoch auch andere IgG-Antikörper testet (IgG gesamt statt nur IgG4) und mich interessiert warum die Hersteller sich für die jeweilige Art der Tests entscheiden, habe ich allen Herstellern ein paar Fragen geschickt. Ausführlich geantwortet haben mir bis dato Dr. Fuschelberger von Kiweno und Dr. Camille Lieners von ImuPro. Das Interview könnt ihr hier lesen:

Mein Fazit zu den Tests: Ich fand es aufschlussreich und wäre nicht oder nicht in kurzer Zeit auf die Idee gekommen, dass Kasein die Ursache für Unverträglichkeiten bzw. Beschwerden oder Reaktionen sein könnte, für mich also hilfreich. Ich fand es auch gut mindestens zwei Tests miteinander vergleichen zu können, drei Tests müssen nicht sein, die Ergebnisse sind sich zu ähnlich. Ich würde auch sagen, es lohnt sich bei der Ursache nach Beschwerden im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln auf die stärkeren Reaktionen zu fokussieren. Eventuell hat man bei den oben verlinkten Testberichten den Fehler begangen alle angezeigten Nahrungsmittel, auch die mit schwacher Reaktion zu meiden und das können recht Viele sein, je nach Anbieter. Ich werde ausprobieren, ob sich etwas verändert wenn ich für eine Weile auf Milchprodukte verzichte, für mich selbst ist das mittelerweile unproblematisch. Alle Tests kommen mit ausführlichen Hinweisen, Ernährungsempfehlungen zu Alternativen und Ernährungsplänen daher und kein Hersteller behauptet die Tests wären der Weisheit letzter Schluss, es sind Hinweise und bei starken Beschwerden bitte erstmal im Wartezimmer platznehmen.

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