Bei meinen beiden geschätzten Kollegen ist es mittlerweile DAS überstrapazierteste Wort des letzten Jahres. Gluten. Dennoch kommt immer wieder die Frage, warum? Ich habe aufgehört herkömmliche Getreideprodukte zu verzehren und seitdem hat sich so einiges verbessert in meinem Leben. Der Grund war aber keine Allergie oder bis zu diesem Zeitpunkt nachgewiesene Unverträglichkeit, es war vielmehr eine Mischung aus Solidarität und Neugier, die ich nicht bereut habe.

Der Anlass? Mein Umfeld hat aus berechtigten Gründen aufgehört es zu essen, weil eine Unverträglichkeit vermutet wurde und wenn man gemeinsam isst, macht es Sinn Nahrungsgewohnheiten zu etablieren, die allen am Tisch gefallen. Und siehe da: die Ödeme unter den Augen waren auf einmal weg, nur nicht bei mir. Mich als eitle Person hat das veranlasst auch mal darauf zu verzichten, nur so, nur mal schauen ob die Schatten unter den Augen auch bei mir zurückgehen. Zu Beginn war es nur als Experiment für vier bis sechs Wochen gedacht. Ich bin (bis auf eine Experimentierphase mit Unverträglichkeitstests) dabei geblieben. Was hat sich verbessert?

Erste Beobachtung: die Augenringe wurden weniger. Ok, eher was für die Eitelkeit und mitunter auch Tagesform oder auch von anderen Faktoren wie Schlaf, Ernährung, Ausgehverhalten und Anstrengung der Augen abhängig. Aber es ist eben auch so, dass man Menschen die Aufnahme nicht verträglicher Stoffe durchaus ansehen kann.

Zweite Beobachtung und erste Überraschung: meine Nase läuft nicht mehr ständig. Etwas, dass sich bei mir als lästig oder nebensächlich etabliert hatte. Von mir wurde das bislang vor allem mit Kälteempfindlichkeit assoziiert und ich habe es so hingenommen. Eine Bemerkung meines Freundes: „Vielleicht hast Du eine Allergie?“ wurde von mir zunächst als Unsinn abgetan, mittlerweile bin ich da nicht mehr so sicher.

Dritte Beobachtung: weniger Haarverlust. Damit verbindet sich auch der unangenehme Rückblick in Zeiten als ich 17 Jahre alt war und zeitweise beschlossen hatte mich nur noch von Müsli und Obst zu ernähren. Die Folge war leider heftiger Haarausfall, möglicherweise auch aufgrund einer recht einseitigen Ernährung. Ich hielt das damals für extrem gesund. Großer Irrtum! Möglich ist auch, dass es aufgrund von Entzündungsreaktionen, u.a. hervorgerufen durch Gluten zu verringerter Nährstoffaufnahme im Darm kommt. Wirklich abwechslungsreiche Ernährung ist unterschätzt und oft doch einfacher gesagt als getan, weil man im Alltag immer wieder gern auf die gleichen Gerichte zurückgreift. Es ist der erste aktive Schritt hin zu besserer Ernährung. Was könnte ich diese Woche Neues ausprobieren? Wochenmärkte, deren Warenangebot meist origineller daherkommt als das durchschnittliche Supermarktsortiment, sind eine gute Quelle, Internet, Reisen, Restaurants, Bücher usw. natürlich auch.

Vierte Beobachtung: ich hatte vorher nie wirkliche Verdauungsbeschwerden, zumindest dachte ich das, aber auch hier stellen sich Veränderungen ein, die man nur als positiv bewerten kann. Merkt man aber erst, wenn man wirklich auf Gluten verzichtet.

Fünfte und allerbeste Beobachtung: weniger plötzliche Müdigkeit! Wenn ich tagsüber oder nachmittags Getreide esse, dann überfällt mich kurz danach oder spätestens abends eine extreme Müdigkeit und das damit verbundene dringende Schlafbedürfnis, lässt sich leider während der Arbeit nicht immer gut umsetzen. Ich konnte einmal während eines Workshops gut beobachten, wie Einige der anderen Teilnehmer, nach dem mehr oder weniger ausgiebigen Genuss von Gebäck in der Kaffeepause schlagartig müde wurden. Dabei hatten doch fast alle gerade Kaffee getrunken und müssten demnach mit Koffeinkick energiegeladen sein. Waren sie nicht und hier wartet auch schon die nächste kleine Falle. Getreide lässt uns mehr Kaffee trinken, nur werden wir davon nicht wacher.

Ich beschloss meinen Kaffeekonsum auf ca. eine Tasse pro Woche einzuschränken. Schrittweise wurde Kaffee erst durch schwarzen, dann durch grünen Tee ersetzt. Nach der harten Entzugswoche, in der man am Anfang kaum klar denken kann, bin ich nicht etwa müder geworden, sondern wacher und das obwohl Tee nur ca. ein Drittel der Koffeinmenge enthält. Durch den Verzicht von Getreide auch andere kleine Gewohnheiten zu ändern, bringt mehr aktive Lebenszeit, lohnt sich! Nicht unwichtig für mich persönlich war, dass das lästige Raynaud-Syndrom, eine meist harmlose Autoimmunerkrankung, deutlich besser wird. Dabei verkrampfen in einer Art Kälteanfall die Blutgefäße der Finger und die wiederum werden schlecht durchblutet. Für 30 Minuten unangenehm und wird deutlich besser wenn man Koffein reduziert.

Sechste Beobachtung: weniger oft erkältet! Was vorher vor allem im Herbst/Winter mindestens einmal vorkam, wurde deutlich besser bzw. hatte ich den Eindruck Erkältungsanflüge wirklich abwehren zu können. Das ganze Jahr über Sport zu treiben und sich im Winter nicht im Haus zu verstecken und gesundes Essen helfen sicherlich auch. Gluten ist vermutlich nur eine Nebenursache, stärkeres Immunsystem durch weniger Entzündungsreaktionen und bessere Nährstoffaufnahme könnten dazu beitragen.

Siebente Beobachtung: zu sagen man habe eine Unverträglichkeit wird bei Mitmenschen und in der Gastronomie mitfühlend anerkannt, Unverträglichkeiten gelegentlich auch mitleidig kommentiert, weil es „schade ist, dass man auf so viel verzichten muss.“ Nicht gern gehört wird, dass man etwas nicht mag oder für ungesund hält, während die meisten anderen es schlicht lieben oder für unverzichtbar halten. Nur leider untermauert es überholte Vorstellungen und Gewohnheiten und man geht damit den Weg des geringsten Widerstandes am Tisch. Kann man sich überlegen, was besser ist.

Achte Beobachtung: es macht wenig Sinn Getreide durch ungesunde, glutenfreie Ersatzprodukte zu ersetzen wenn sie nicht vollwertig sind oder zu viele Inhaltsstoffe enthalten, um daraus überhaupt etwas essbares zu machen. Gesünder sind Brotalternativen aus vertrauenswürdigen Bäckereien (Die jute Bäckerei, „Lieber Ohne“ BioCompany), die auf unnötige Zusatzstoffe verzichten. Auf Brot nicht zu verzichten ist vor allem Gewohnheit, es spricht wenig dagegen es nicht gelegentlich zu verzehren. Genausowenig spricht etwas dagegen, Ballaststoffe, Proteine, Magnesium, Calcium, Eisen und Zink aus viel Gemüse, Hülsenfrüchten, Quinoa, Hirse, Amaranth und Vollkornreis aufzunehmen.

Meine Erkenntnis: für mich ein unverzichtbarer Gewinn weil ich vorher dachte alles wäre ok, nur geht es mir jetzt noch besser! Das muss nicht bei jedem so sein, aber was spricht gegen ausprobieren? Ob man sich darüber identifizieren sollte? Vielleicht verfasst bald jemand ein Theaterstück, Gluten oder nicht Gluten, das ist hier die Frage?

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