Im Juni 2016 titelte Medscape, ein Newsletter für Ärzte „Deutliche Zunahme glutenfreier Ernährung: Modeerscheinung oder tatsächlich oft gesünder?“.

Der Bericht fasst vorwiegend aktuelle US-amerikanische Studien zusammen. Demnach verzehrten 100 Mio. US-Amerikaner im vergangenen Jahr glutenfreie Produkte. Neben Zöliakie (obligatorisch glutenfrei) und dem Auftreten der Weizenallergie (obligatorisch), entscheiden sich demnach immer mehr Menschen freiwillig für eine glutenfreie Ernährung, da sie eine Empfindlichkeit bei sich selbst vermuten. 60 Prozent der Befragten glauben, dass eine glutenfreie Ernährung ihre körperliche und/oder psychische Gesundheit verbessert. Angeführt werden u.a. verbesserte Verdauung und gestärktes Immunsystem, gesteigerte Leistungsfähigkeit und Gewichtsverlust [1-4].

Eine andere Umfrage unter 910 Weltklasseathleten zeigte, dass 41 Prozent einer glutenfreien Ernährung folgen, mehrheitlich freiwillig aufgrund einer Selbstdiagnose von Empfindlichkeit gegenüber Gluten [5]. Damit ist klar, Medaillen sind nicht Teil der Gemeinsamkeit. Die Studie stellt heraus, dass es aufgrund einer glutenfreien Ernährung nicht zu messbarer Leistungsverbesserung kommt, wobei ich mich frage wie man das auch nachweisen wollte. Bemerkenswert ist dennoch, dass Personen, die extremer als Andere auf einen optimal funktionierenden Körper vertrauen, sich in so großen Teilen glutenfrei ernähren. Statt der Bezeichnung Non-Celiac-Gluten-Sensitivity (NCGS, Nicht-Zöliakie-Gluten-Sensitivität) schlägt man vor diesen Zustand einfach als „Menschen, die Gluten meiden“ zu nennen, warum nicht! Neben gastrointestinalen Symptomen, die sich verbessern, werden folgende Symptome durch Gluten beschrieben: Müdigkeit und „benebelter Geist“, Angstzustände, Depressionen, Muskelschmerzen und Hautausschläge. Hier finden sich auch erste Hinweise auf eine medizinische Erklärung [6], dass NCGS mit einer Gluten-induzierten Aktivierung einer angeborenen Immunantwort verbunden ist und u.a. Veränderungen der Schleimhautbarrierefunktion des Darms betrifft [9, 10].

Weitere Umfragen in anderen Studien sagen aus, dass 13% der US-Bevölkerung von einer Glutenunverträglichkeit berichten. Die Befragten waren mehrheitlich weiblich und nur ein kleiner Teil hatte eine diagnostizierte Zöliakie. Nehmen die Damen nur öfter an Umfragen teil oder achten sie mehr auf ihre Ernährung? Sowohl bei Zöliakie als auch (selbstdiagnostizierter) Unverträglichkeit gegenüber Gluten (NCGS) traten Autoimmunerkrankungen auf, bei Personen mit Zöliakie bei 23%, bei NCGS bei 10% [1, 7].

Ein Bericht [6] betont, dass sich immer weitere Beweise für NCGS als echte klinische Einheit ergeben, [9, 10] obwohl es eindeutig eine Trendkomponente gibt. Auch FODMAP-Komponenten (schlecht resorbierbare Kohlenhydrate), stehen neben Gluten im Verdacht die Symptome auszulösen [8]. FODMAPs findet man u.a. in Getreide wie Weizen, Gerste und Roggen, einigen Früchten wie Äpfeln, Aprikosen, Avocados, Milch/Milchprodukten und Zuckeraustauschstoffen. Immer wieder wird auch nur Weizen und nicht jedes Getreide als Ursache der NCGS-Symptome diskutiert [11]. Immer empfohlen wird bei schweren Symptomen eine Zöliakie von einem Arzt abklären zu lassen.

Ich bekam den Newsletter eigenen Tag, nachdem ich meine eigenen Beobachtungen aufgeschrieben hatte. Was ich daraus lese, ist das gute Gefühl, dass ich mir diese Verbesserungen nicht einbilde und auch sehr viel mehr Menschen Ähnliches beschreiben. Deshalb ist es für mich mehr als nur ein Trend! Mir geht es letztendlich nicht darum, mir selbst eine Unverträglichkeit zuzuschreiben, sondern ob die molekularen Ursachen wissenschaftlich und nachvollziehbar geklärt werden. Es geht darum, dass es Sinn macht auf Gluten zu verzichten und ob das grundsätzlich so ist oder nur bei einem Teil der Bevölkerung bzw. in welchem Ausmaß, Trend hin oder her. Es geht auch nicht darum mit Hilfe von glutenfreien Ersatzprodukten nichts an den Nahrungsgewohnheiten zu ändern, sondern sie hin zu gut verträglichen natürlichen und gesunden Produkten zu verbessern. Viel frisches Gemüse mit z.B. Quinoa oder Vollkornreis und Hülsenfrüchten, statt glutenfreier Brötchen und Snacks sollten eine gesunde Alternative sein und Ersatzprodukte nur die Ausnahme. Wer dennoch nicht auf Brot verzichten möchte und nicht gerade eine glutenfreie Bäckerei in der Nähe findet, kann immer noch selbst backen (siehe Beitragsbild):

Quinoa-Sauerteig (glutenfrei, Bioladen); Hefe (frisch oder 1 Beutel), 350g glutenfreies Mehl (aus Buchweizen, Mais, Kastanie, Reis); 150g Sojamehl, 375 ml warmes Wasser, Salz, Leinsamen und Körner nach Belieben, zu Teig verarbeiten, 1 h warten, in den kalten Ofen stellen, bei 180-200°C mit einer Schale Wasser 80 min backen.

 

Quellen: (für den Medscape-Artikel wird eine Anmeldung benötigt)

  1. Aziz I, Sanders DS. Patients who avoid wheat and gluten: is that health or lifestyle? Dig Dis Sci. 2014;59:1080-1082.
  2. Elli L, Roncoroni L, Bardella MT. Non-celiac gluten sensitivity: Time for sifting the grain. World J Gastroenterol. 2015;21:8221-8226.
  3. Verdu EF, Armstrong D, Murray JA. Between celiac disease and irritable bowel syndrome: the „noman’s land“ of gluten sensitivity. Am J Gastroenterol. 2009;104:1587-1594.
  4. Aziz I, Branchi F, Sanders DS. The rise and fall of gluten! Proc 4. Nutr Soc. 2015;1-6.
  5. Lis D, Stellingwerff T, Shing CM, et al. Exploring the popularity, experiences and beliefs surrounding gluten-free diets in non-coeliac athletes. Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2015;25:37-45.
  6. Fasano A, Sapone A, Zevallos V, Schuppan D, Nonceliac gluten sensitivity. Gastroenterology. 2015;148:1195-1204.
  7. Aziz I, Lewis NR, Hadjivassiliou M, et al. A UK study assessing the population prevalence of self-reported gluten sensitivity and referral characteristics to secondary care. Eur J Gastroenterol Hepatol. 2014;26:33-39.
  8. Biesiekierski JR, Peters SL, Newnham ED, et al. No effects of gluten in patients with self-reported nonceliac gluten sensitivity after dietary reduction of fermentable, poorly absorbed, short-chaincarbohydrates. Gastroenterology. 2013;145:320-328.
  9. Sapone A, Lammers KM, Casolaro V, et al. Divergence of gut permeability and mucosal immune gene expression in two gluten-associated conditions: celiac disease and gluten sensitivity. BMC Med. 2011;9:23.
  10. Brottveit M, Beitnes AC, Tollefsen S, et al. Mucosal cytokine response after short-term gluten challenge in celiac disease and non-celiac gluten sensitivity. Am J Gastroenterol. 2013;108:842-850.
  11. Carroccio A, Mansueto P, D’Alcamo A, Iacono G, Non-celiac wheat sensitivity as an allergic condition: personal experience and narrative review. Am J Gastroenterol. 2013;108:1845-1852.
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